Das Gebirge kann Rückzugsgebiet sein, eine Möglichkeit, sich auf sich selbst, das eigene Erleben zurückzuziehen; man muß das Berggehen nur richtig organisieren, dann wird man schon nicht von Gleichgesinnten zertreten. Als Pendant zum Rückzugsgebiet erscheinen mir die Berge auf Petra Thalmeiers Bildern. Hier ist es der Berg, der sich zurückzieht, auf sich selbst, auf seine Struktur, sein Aufstreben, sein Gelagertsein, seine Kompaktheit, Zerklüftetheit.

Heftige Pinselstriche führen die Vorstellung "Berg" ein weites Stück in die Abstraktion. Im Detail kann daraus reine Abstraktion werden. Sehen Sie sich das Sas-Lung-Bild an und dann die Serie der kleinen Holztafeln: Aus dem, was deutlich als Kar, als Schuttreiße zu erkennen ist, wird abstrakte Form- und Farborganisation der Bildfläche. Doch in den Großformaten soll der konkrete Berg ausdrücklich immer erkennbar bleiben, nicht als Vedute, als Landschaftsausschnitt, sondern als Bergcharakter: das Aufstrebende des Großglockners, das Raumfüllende des Langkofels.

Berge sind auf den Bildern von Petra Thalmeier Farbexplosionen, meistens nicht bunt im Sinn von vielfarbig, sondern in wenigen kraftvollen Kontrasten, mal dominiert Rot-Grün, mal Blau-Gelb oder Rot-Gelb wie in der Langkofel-Serie. Faszinierend ist für ich immer ihr Blau, das sie selbst herstellt: Man möchte mit dem Finger drüberfahren, damit etwas hängenbleibt vom samtenen Blütenstaub. Die intensive Farbigkeit entspricht der heftigen Geste des Farbauftrags. Sie ist angelegt schon im kräftigen langen Strich der Skizzen, die auch zu explodieren scheinen. Malen ist ein Kraftakt, ist Bewegung.

So wirken die Berge aus einem Kraftakt entsprungen, wie in den ersten Millisekunden nach einer Sprengung. Und umgekehrt: in der Verkleinerung von Reproduktionen treten die konkreten Gestalten der Berge stärker hervor, ziehen sich die gestischen Formen zu etwas klarer Umrissenem zusammen.

Georg Steinbichler